Mittwoch, 1. November 2017

Kunst der Reformationszeit

Website des Digitorials des Städelmuseums
 https://reformation.staedelmuseum.de/de/kapitel-1
Hätte ich den Link schon vor dem letzten Kunstsurfen gehabt! Seufz! Das hätte mir Arbeit erspart und ich wäre auch noch ein wenig besser informiert gewesen. Aber wie es so geht, erst mit dem prometheus-Newsletter 2017 / 22 vom Nachmittag des Tages, an dem wir zu Luther und der Kunst seiner Zeit gesurft sind, kam der Hinweis auf das neue Digitorial des Städelmuseums. Ich habe es inzwischen mit Vergnügen und Gewinn angeschaut und kann es nur empfehlen.

Ich habe also vor dem Kunstsurfen im Internet recherchiert und Bilder gesucht, in denen sich der Umbruch der Reformationszeit widerspiegelt. Ausstellungen zum Lutherjahr hat es reichlich gegeben und einige laufen auch noch ein paar Tage oder länger. Am Ende des Posts folgt eine kleine Zusammenstellung.

Der Zehen gebot ein nützliche erklerung (Quelle:
 http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:70-dtl-0000018499)
Erst mal haben wir uns den Zeitstrahl des Minneapolis Institut of Art angesehen, der Luther und seine Zeit in einen globalen Kontext stellt. (Ein Tipp: Man kann sich die englischen Texte kopieren und in Google Übersetzer übersetzen lassen.)

Dann haben wir uns das
- Titelbild der Ausgabe "Der Zehen gebot ein nützliche erklerung" von Thomas Müntzer nach Martin Luther angeschaut (wenn man den Link öffnet, erscheint der Deckel des Buches, man muss dann mit dem Pfeil oben darüber auf die Titelseite = image003.jpg gehen). Es dauerte ein wenig, bis wir verstanden haben, was auf dem Bild zu sehen ist: Rechts oben öffnet sich der Himmel und Gottvater erscheint mit den Geboten, darunter in den Bergen ist Moses zu sehen. Links findet der Tanz um das Goldene Kalb vor "türkischen" Zelten statt und vom Himmel regnet es Feuer und Steine auf die Juden, die Gottes Gebot nicht gehalten haben.



- Luther im Kreise von Reformatoren, 1625/1650
ist eines jener neuen Bilder, die sich explizit auf die Reformation beziehen und sozusagen wie eine Zeitung dem Leser die neuen Gesichter vorstellen, die nun das Sagen hatten. Praktisch, dass der Maler die Namen neben die Figuren geschrieben hat. Wie beim Abendmahl sitzt in diesem Fall Martin Luther in der Mitte und "seine Apostel" gruppieren sich sozusagen um ihn: Melanchton und Calvin an seiner Seite, vor dem Tisch kleiner gemalt sieht man die Gegenseite, aus deren Mündern schlechte Luft auf Luther zuströmt. Der Papst mit der Tiara, der Kaiser in römischem Gewand, ein Fürst und ein Kardinal und Mönche.

- Albrecht Dürer, Gedächtnissäule für den Bauernkrieg 1525, aus der "Underweysung der Messung, mit dem Zirckel und Richtscheyt, in Linien, Ebenen unnd gantzen corporen", Nürnberg, 1525
Albrecht Dürer hat dieses Blatt etwas versteckt veröffentlicht, da es in einem Buch erschienen ist, dass sich mit dem praktischen Zeichnen mit Hilfmitteln befasst, also eher ein Lehrbuch ist. Aber seine Meinung zu den Kämpfen der Bauern gegen ihre Unterdrückung wird auf jeden Fall deutlich. Dürer schreibt dazu: "Welicher ein Victoria aufrichten wollt, darum daß er die aufrührerischen Bauern überwunden hätt, der möcht sich eins solichen Gezeugs darzu gebrauchen, wie ich hernach lehren will". Schaut man genau hin, sieht man dass die Säule auf einer Bauerntruhe ruht und aus Hausrat und einer Garbe mit Hacke, Schaufel und Dreschflegel besteht. Ein "traureter Bauer...,der mit seinem Schwert durchstochen sei" bekrönt die Säule und ist der Gestalt des Christus auf der Rast nachgebildet.

Das totale Gegenteil dazu bildet der

- Croy-Teppich von 1554, in Greifswald, der über 4 Meter hoch und über 6 Meter lang ist. Unter Luthers Kanzel - Luther verweist auf Christus am Kreuz - haben sich  anlässlich ihrer Hochzeit der pommersche Herzog Philipp I. mit seiner Familie sowie seine Frau Maria und ihre Familie aus dem kursächsischen Fürstenhaus aufgestellt. (Wikipedia)

Über hundert Jahre nach dem Thesenanschlag malte
- Heinrich Füllmaurer (Werkstatt), den Gothaer Tafelaltar, um 1640
auf 162 Bildtafeln wird das Leben Christi erzählt und - anders als auf den mittelalterlichen Altären - durch ausführliche Inschriften erklärt. Auf der o.g. Informationsseite heißt es dazu: "Die Texte stammen aus der Lutherbibel und viele Details, wie etwa der im Ordensgewand auftretende Satan, belegen, dass es sich um ein reformatorisches Bildwerk handelt. Gestaltet wie ein mittelalterlicher Wandelaltar war es nicht Teil einer Kirchenausstattung, sondern ein religiöses Ziermöbel, eine monumentale Bilderbibel im Gothaer Schloss Friedenstein."
Wir haben uns das zweite Bild auf der o.g. Website genauer angeschaut und sind zu dem Bibeltext von Petri Fischzug gekommen, der hier sozusagen fast wörtlich in ein Bild übersetzt worden ist.

Zum Schluss haben wir uns noch ein wenig mit dem Nachwirken des Luthertums beschäftigt und die Bilder von
- Konrad Weigand, Luthers Hochzeitsfeier 1525 zu Wittenberg, vor 1897
angeschaut. Wir sind von den ersten Skizzen ausgegangen und haben dann das Endergebnis betrachtet, das die Hochzeit im Kreise von Glück wünschenden Besuchern darstellt. Ich zitiere hier mal aus dem Pressematerial:

"Weigand setzt hier bildlich um, was rund 350 Jahre zuvor für einen Skandal gesorgt hatte: die Ehe eines Mönchs mit einer entlaufenen Nonne. Luther hatte seiner Ablehnung des Zölibats und seiner Forderung nach Auflösung der Klöster handfeste Tatsachen folgen lassen. Eigentlich plante Katharina von Bora, den aus Nürnberg stammenden Studenten Hieronymus Baumgartner zu heiraten, dessen Eltern der Hochzeit mit der ehemaligen Nonne jedoch nicht zustimmten. Martin Luther fädelte zunächst eine Eheschließung Katharinas mit dem Universitätslehrer Kaspar Glatz ein – doch Katharina wollte nicht. Luther selbst war zunächst an einer anderen Nonne, Ave von Schönfeld, interessiert, die sich dann für den Apotheker Basilius Axt entschied. Am 13. Juni 1525 schließlich führte das Ehepaar Cranach Katharina von Bora und Martin Luther zur Trauung. Dieser Umstand bot der katholischen Gegenpropaganda der Zeit viel Angriffsfläche: Das Paar wurde mit Beleidigungen überzogen und in Schmähschriften verspottet.

Der Blick des 19. Jahrhunderts ist jedoch ein vollkommen anderer: Der Reformator wurde in romantischer Verklärung immer mehr zu einer nationalen Identifikationsfigur stilisiert. Die Hochzeit passte gut ins Bild eines aufrechten, volkstümlichen Rebellen. Konrad Weigand entwirft das Urbild des idealen evangelischen Ehepaars – ein Thema, das vom protestantischen Bürgertum des 19. Jahrhunderts in Zeiten des Kulturkampfs zwischen Preußen und katholischer Kirche begierig aufgenommen wurde."

So und jetzt zum Schluss noch einmal eine Zusammenstellung der Ausstellungen in Deutschland zum Lutherjahr, von denen einige zur Zeit noch ein paar Tage oder länger laufen:
- Da ist die große dreifache Ausstellung in Berlin, Wittenberg und auf der Warthburg, die man unter diesem Link erforschen kann. In der oberen Zeile, stehen die Orte. Wenn man sie anklickt, kommt man zu den einzelnen Ausstellungen.
- In Greifswald lief und in Schleswig läuft noch "Luthers Norden". Dort erfährt man viel zur Einführung des Protestantismus im Norden. Ich jedenfalls wusste noch nicht, dass es in Heide den protestantischen "Märtyrer" Heinrich von Zütphen gab, der von den Bauern umgebracht wurde, weil er "gegen die Muttergottes" gepredigt habe.
- Vom Gothaer Tafelaltar war oben schon die Rede.

Und auch im Nachbarland Österreich, das von der Gegenreformation wieder zurück in den katholischen Glauben gezwungen wurde, gibt es Ausstellungen zum Thema:
- Im Universalmuseum Johanneum in Graz läuft noch bis zum 8.1.2019 im Museum für Geschichte „Ein Hammerschlag…“ 500 Jahre evangelischer Glaube in der Steiermark"
- Das Landesmuseum Linz zeigt genauso lange  „Zur Reformation. Aus den Beständen der Bibliothek des Oberösterreichischen Landesmuseums"

Und wer sich über die Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Martin Luthers informieren will, kann sie bei Google Arts & Culture lesen oder auch nur aufrufen und die Informationstexte dazu ansehen.
Nachtrag 8.11.2017:
Und noch eine "Luther"-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg habe ich gerade gefunden, zu der es ein interessantes Digitorial gibt.