Donnerstag, 22. Februar 2018

Peter Paul Rubens - Kraft der Verwandlung

Rubens (Ecce Homo)
Peter Paul Rubens, Ecce homo,
1512 (Quelle Wikimedia)
Diese Ausstellung läuft bis zum 21. Mai 2018 im Städel Museum in Frankfurt. Vorher war sie im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen. Eine ausführliche Besprechung mit vielen Bildern gibt es auf artinwords zu lesen und zu sehen. Und wie immer bei Ausstellungen im Städel ist das Digitorial unbedingt zu empfehlen.

Wer sich über Rubens, der von 1577 bis 1640 lebte, näher informieren will, ist trotzdem bei Wikipedia am besten aufgehoben.

Wir haben mit dem Bildthema "Ecce homo" angefangen. Mit diesen Worten, die "Siehe, der Mensch" bedeuten, zeigt Pilatus den gegeißelten und mit Dornen gekrönten Christus dem Volk. Eigentlich wollte ich als erstes Bild

- Agostino Caracci, Ecce homo 1587

zeigen. Aber irgendwie ist das untergegangen. Ich wollte damit darauf hinweisen, dass es eine lange Tradition dieses Bildmotivs gibt, und zeigen, wie ein Künstler des 16. Jahrhunderts es aufgefasst hat. Darauf sollte der Vergleich mit Rubens folgen:

- Rubens, Ecce homo, 1612 (Leider hat dieser Link nicht bei allen richtig funktioniert. Die Funktion, dass man das Bild rechts unten vergrößern und dann per scrollen oder mit den Tasten + und - sehr groß ziehen kann, hat sich bei einigen Computern aufgehängt. Ich habe es damit versucht, das Bild dann noch mal zu öffnen. Das klappte aber anscheinend nur bei mir! Deshalb alternativ hier ein weiterer Link auf das Bild)



Verglichen wird das Bild in der Ausstellung mit der römischen Statue des

- von Cupido gezähmten Kentaur, 1.–2. Jh. n. Chr.

sowie der Zeichnung

- Rubens, Kentaur von Cupido gezähmt, um 1601/02

Auch wir haben diese drei Bilder verglichen. Wir haben gesehen, dass Rubens die Statue mehr von vorn gezeichnet hat, als sie im Foto wiedergegeben ist, und dass seinem Engel Arme und Flügel fehlen (waren sie vielleicht zu Rubens Zeiten gar nicht da und sind später angesetzt worden?) Und natürlich ist uns die Körperhaltung des Kentauren aufgefallen, die Rubens auf den geschundenen Christus übertragen hat. Dessen Darstellung und besonders die Art, wie die Haut am Hals und Oberkörper mit den blutigen Striemen und Wunden gemalt ist, wie der Brustkorb hell leuchtet, und wie an seinem rechten Ellbogen unter der Haut die Arterien hervorschimmern, hat uns besonders fasziniert.

Rubens hat zwischen 1600 und Ende 1608 in Ober- und Mittelitalien gelebt, wo er für Vincenzo I. Gonzaga in Mantua gemalt hat. Er ist von dort auch nach Venedig, Florenz, Genua und Rom gereist und hat antike Kunstwerke kopiert, wie man in der Zeichnung des Kentaur sieht. Außerdem schickte Gonzaga ihn nach Madrid, wo er die Tizian-Sammlung der spanischen Könige studieren konnte. Als er nach Antwerpen zurückkam, heiratete er die über zehn Jahre jünger Isabella Brandt. Sein Hochzeitsbild - sozusagen ein historisches Selfie - hängt zwar nicht in der Ausstellung sondern in der Münchener Alten Pinakothek, aber wir haben es trotzdem angesehen:

- Rubens, Selbstporträt mit Isabella Brant in der Geißblattlaube, um 1609

Nach dem grausamen Bild des "Ecce homo" tat die Schönheit des Paares den Augen offenbar gut. Die Kleidung mit den zarten Spitzen und der bestickten Seide wurde bestaunt und gefragt, ob man so etwas damals allgemein getragen hat. Inzwischen habe ich ein Bild gefunden, das sich modisch vergleichen lässt:

- Willem Pietersz. Buijtewech (etwa 1591–1592), Die Werbung

und zeigt, dass das Gewand von Isabella Brandt ungewöhnlich kostbar ist, während die steifen Spitzenkragen eine modische Zeiterscheinung sind.

Zu Rubens Lebenszeit herrschte von 1618 bis 1648 der Dreißigjährige Krieg und so sind auch nicht alle Sujets des Maler einfach nur schön. Besonders grausam und lebens- oder besser "todes-"echt hat er das abgeschlagene Haupt der Medusa gemalt:

- Haupt der Medusa, 1617

Nur kurz zur Erinnerung: Die Medusa war nach dem antiken Mythos eine unwiderstehlich schöne Frau, mit der sich Poseidon im Tempel der jungfräulichen Göttin Athene vergnügt hat. Sie wurde zur Strafe in ein grässliches Ungeheuer mit Schlangenhaaren verwandelt. Jeder, der sie ansah, erstarrte zu Stein. Schließlich konnte Perseus sie überlisten. Er näherte sich ihr mit einem verspiegelten Schild, so dass er sie nicht direkt ansehen musste, und enthauptete sie.

So richtig ansehen mochte keiner von den Kunstsurferinnen und Kunstsurfern das Bild. Das war jedenfalls mein Eindruck. Die blutunterlaufenen, verdrehten Augen, die blauen Lippen, der blutende  abgeschlagene Kopf und die Schlangen anstelle der Haare sind ja auch einfach schrecklich. Übrigens wurde das Gemälde lange Zeit hinter einem Vorhang präsentiert! Tatsächlich ist das Haupt der Medusa seit der Antike immer wieder in der Kunst dargestellt worden. Marlit fiel gleich das

- Kapitell mit dem Haupt der Medusa, Yerebatan-Zisterne, Istanbul

ein, während ich ein antikes Mosaik aus dem Museum in den Diokletiansthermen in Rom zeigen konnte:

 - Mosaik der Medusa, Rom, Museum Thermen des Diokletian

Die ineinander verdrehten Schlangen auf der rechten Seite der Medusa von Rubens verlangten dann noch einmal unsere Aufmerksamkeit. Im Digitorial lässt sich nachlesen, dass ihre Darstellung der zeitgenössischen Naturlehre über das Verhalten von Schlangen der Vipern entspricht. Man glaubte, dass das Weibchen das Männchen nach der Paarung tötet und selbst bei der Geburt des Nachwuchses stirbt. Das wurde auch sinnbildlich gedeutet. Deshalb zeigt ein Emblem dieser Zeit das Bild der in sich verschlungenen Schlangen und weist damit auf die "Venus" oder "femina improba" (improba = lat., schamlos, unanständig) hin.

- Emblem der Venus improba, 1677

Damit, dass dieses Symbol in das Bild der Schlangenhaare integriert ist, wird die Schamlosigkeit der Medusa also hervorgehoben. Im Digitorial heißt es dazu: "Der Kopf der Medusa wird zum Schreckensbild für den verführbaren Mann."

Zuletzt haben wir noch zwei Bilder von Rubens mit den Bildern von Tizian verglichen, die dasselbe Sujet zeigen, und dabei festgestellt, wie nahe sich Rubens an seine Vorbilder gehalten hat. Zugleich aber lässt sich im Vergleich - besonders gut am Venusfest - erkennen, wie unterschiedlich die Malweise der beiden Künstler gewesen ist.

- Rubens, Venus und Cupido 1628

- Tizian, Venus mit dem Spiegel, um 1550/60

- Rubens, Venusfest nach Tizian  1635

- Tizian, Venusfest, Prado 1518-20

Beim Venusfest fiel dann nebenbei auf, dass die in dem Bäumen fliegenden Engel durchaus mit dem Cupido verwandt sein könnten, der in dem Bild "Frühling" von Botticelli über den Figuren schwebt.

Als letztes verglichen wir dann das Selbstporträt des Künstler vom Ende seines Lebens mit dem Hochzeitsbildnis, das er Jahrzehnte zuvor gemalt hatte, und stellten fest, dass sich Rubens auf diesem Bild wie ein hoher Würdenträger des Adels dargestellt hat und dafür typische Attribute wie die Säule links im Bild, den Degen und den Handschuh benutzt hat. Im der Beschreibung des Wiener Kunsthistorischen Museums, in dem das Bild hängt, steht dazu zu lesen, dass Rubens "seinen individuellen Zügen stärkeres Gewicht <verlieh>, als dies sonst bei diesem Bildtypus üblich ist."

- Selbstporträt, um 1638