Mittwoch, 18. Dezember 2013

Der Weihnachtsbaum in der Kunst und anderswo

(Bild Barbara Leisner)
Auch wenn mir eigentlich die Adventsstimmung etwas abhanden gekommen ist, so hatte ich doch Lust mich dieses Jahr einmal mit dem Tannenbaum zu beschäftigen (Johannes hat uns übrigens gerade noch eine Grafik geschickt aus dem Wortatlas der deutschen Umgangssprachen, auf dem man sieht, dass wir hier im Norden eher vom Tannenbaum sprechen, während der Süden damit den Christbaum meint und eher in der Mitte Deutschlands der Weihnachtsbaum sprachlich zu Hause ist!).

Also das erste Bild das ich zeigen wollte, da war der Link kaputt - gestern hatte er noch funktioniert, heute gab's schon mal kein Bild vom Züricher Lichterbaum mehr. Wo ist es geblieben? Auf dem Goethezeitportal war das Bild auch nicht mehr zu finden. Aber anscheinend habe ich nur nicht richtig geschaut, denn jetzt hab ich es doch wiedergefunden. Man muss nur herunterscrollen zur Überschrift "Weihnachtsbescherung"! Manchmal surft man eben einfach blind in der Gegend herum! Das Goethezeitportal ist übrigens sehr empfehlenswert, wenn man mehr über die Kulturgeschichte von Weihnachten erfahren will.

Wir sind dann gleich weitergesurft nach England und haben uns das Bild vom Weihnachtsbaum bei den Royals angesehen. Wie hieß gleich noch diese Aufpolsterung an der Rückseite der Damenwelt, nein es war nicht cul de sac, Johanna fiel es dann später ein: Die Dame trägt eine Tournure (komisch den Wikipedia-Artikel gibt's nur auf Französisch!). Das war Mode um 1848, aus dem Jahr stammt das Bild nämlich. Den Weihnachtsbaum gab es in England damals noch selten. Prinz Albert brachte seine Liebe zu diesem Brauchtum aus Deutschland mit. Victoria kannte ihn auch schon - von ihrer deutschen Großmutter Queen Charlotte. Albert verschenkte übrigens eine große Zahl von Weihnachtsbäumen an Schulen und Kasernen. Das Bild wurde in den Illustrated London News publiziert und zeigt die königliche Familie um den Weihnachtsbaum.

Komischerweise haben wir bei diesem Bild vergessen uns die "Rahmenhandlung genauer anzusehen". Das haben wir dann bei der mit Tusche lavierten Federzeichnung "Weihnachtstraum" von Adrian Ludwig Richter aus dem Jahr 1864 nachgeholt. Schnell war klar, dass es im krassen Gegensatz zu den Royals steht. Die Erinnerung an das Märchen von dem kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen kam hoch (allerdings handelt das vom Silvesterabend!), als wir die beiden frierenden Kinder in der unteren Ecke sahen und noch eine Weile bei den erleuchteten Fenstern und dem Weihnachtmarkt im Hintergrund des unteren Bildteils blieben. Dann fiel die Verbindung zu dem Traumbild der der Christuskind anbetenden Engel auf, nämlich der kleine mit einem Weihnachtsmannmantel bekleidete Engel, der aus einen Korb gute Gaben zu den Kindern herabwirft und dazu als eine Art Kontrapunkt trägt der oberste Engel den Tannenbaum, der von einem Stern überstrahlt ist.

Ganz anders wirkte das Weihnachtsbild des Genremalers Meyer von Bremen auf uns, diesmal eine Grafik ohne Weihnachtsbaum.  Das leuchtende und schon große Christuskind, das seinem Gegenüber anscheinend eine Bibel überreicht, steht im Mittelpunkt. Kitschig und süßlich waren die Attribute, die genannt wurden. Oblaten, wie man sie heute noch kaufen kann, kamen als Parallele ins Spiel (zum Beispiel, wenn man zu den beiden Engeln in der dritten Reihe von oben herunterscrollt).

Auch etwas süßlich wirkte das Gemälde von Hedwig Mechle-Grosmann auf uns "Zwei Mädchen vorm Christbaum" auf uns. Als Parallele und vielleicht Vorbild war mir gerade dieses Bild von zwei Kindern aus dem Buch "The Coming of Father Christ" vor die Augen gekommen. (Es stammt übrigens aus dem großen Konvolut von Bildern aus Büchern, die die British Library gerade auf Flickr lizenzfrei veröffentlicht hat.)

Länger verweilten wir dann bei Viggo Johansens Bild "Weihnachtsglück" von 1891, das man zur Zeit gerade in Hamburg in der Kunsthallte sehen kann (Ausstellung "Dänemarks Aufbruch in die Moderne - Die Sammlung Hirschsprung von Eckersberg bis Hammershøi"). In der dänischen Beschreibung dazu heißt es unter anderem, dass man das Wohnzimmer der Familie des Malers in der Amaliegade in Kopenhagen sieht. Die Familie tanzt um den Weihnachtsbaum. Vorn ist die Frau des Künstlers Martha mit den Töchtern Ellen und der kleinen Nanna zu sehen. Wer den ältesten Sohn Fritz an der Hand hält, bleibt ein Geheimnis. Wahrscheinlich steht Johansen selbst hinter dem Baum. In der Ecke steht Marthas Tante und betrachtet aus der Ferne die Freude der Kinder. Das Bild wurde Weihnachten 1890 begonnen und der Maler brauchte mehr als ein Jahr um fertig zu werden. Es wurde später eine der beliebtesten Darstellungen von Johansen. Besonders die Lichtführung beeindruckte uns. Alles Licht geht von dem Lichterbaum aus und sein Glanz spiegelt sich in den Gesichtern der Kinder wieder.

Als Gegenüberstellung gab es dann das Bild von Fritz Schider "Weihnachtsfeier in der Familie Leibl" von 1874. Während Viggo Johansen seine Familie ganz um den Baum zentriert hat, bricht hier die Feststimmung schon auf. Das meiste ist gelaufen, die Geschenke sind verteilt, die Kasperpuppe liegt am Boden. Etwas zu den beteiligten Personen und ein wenig zum Künstler kann man in dem Text unter dem Bild nachlesen.

Der Gegensatz zu dem Farbdruck "Weihnachtsabend" von Heinrich Zille könnte nicht größer sein. Auch wenn das Bild mit seinen bunten Farben auf den ersten Blick lustig wirkt, so sieht man doch schnell, wie arm die kleine Familie ist, die sich um den Kanonenofen und nicht um den Weihnachtsbaum zusammendrängt. Auch hier ist der Vater nicht im Bild. Wahrscheinlich ist er auch sonst abwesend. Und die Menschen auf diesem Bild wenden sich nicht den Versprechungen des Glaubens zu, die der Weihnachtsbaum mit seinen immergrünen Tannenzweigen und seinen "erleuchtenden" Kerzen verkündet, sondern den Bratäpfeln auf dem Ofen, frei nach dem Motto: Zuerst kommt das Fressen und dann die Moral.

Noch etwas fällt mir bei dieser Bildfolge auf: Der Reichtum der Weihnachtsgaben wird gern mit der Darstellung der Armut verbunden. Ach ja auf dem Bild der englischen Royals sollte man sich daraufhin die kleinen Zeichnungen am Rand ansehen! Der Topos, am "Gabenfest" besonders intensiv um Spenden zu werben und Bedürftigkeit darzustellen, ist offensichtlich schon alt. Er wird ja immer noch von der "Werbung" neu aufgegriffen.

Damit die traurige Karikatur - ist es eine? - von Zille nicht am Ende steht, haben wir uns schnell noch ein paar ganz moderne Tannenbäume angeschaut: Ich empfehle die Website mit den Bildern der jährlichen Ausstellung "Oh Tannenbaum!" an der HfG Karlsruhe.